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Besuch bei Olga Sirkou in Asprovalta

Reisebericht Griechenland im Corona-Oktober 2020

(Renate von Heyden-Klaaßen)

 
 

Vom 24.Okt. bis zum 28.Okt.2020 bin ich recht spontan zu Olga Sirkou nach Griechenland geflogen, die Flüge waren preiswert und Olga wartete schon so lange, wollte ich doch eigentlich viel eher gekommen sein. Sowohl der Flughafen Düsseldorf als auch der in Thessaloniki waren wie leergefegt, aber der Flug selber (mit Aegean Airlines) war problemlos. Natürlich musste die ganze Zeit wegen Corona ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden.

Ich habe in der kleinen Pension Delfini direkt am Strand gewohnt und war dort der letzte Gast. Eigentlich war die Anlage schon geschlossen und die Saison, die dieses Jahr keine war, längst vorbei.

Küstenstadt Asprovalta  
  Futterspender

Bereits beim Abendspaziergang zum einzigen geöffneten Restaurant an der Promenade zeigte sich, dass der kleine Ort Asprovalta leer und scheinbar fast ohne Einwohner war, und vieles sah ärmlich bis ungepflegt aus. Nur ein paar Einheimische saßen mit uns im Restaurant "Don Quijote". Straßentiere dagegen gab es genug, sehr viele Katzen und auch einige Hunde sah ich herumlaufen. Wir ließen uns die Essensreste einpacken und Olga verteilte sie sogleich an einen Hund und ein halbes Dutzend Katzen, die hungrig vor dem Restaurant saßen ...

Neben dem Parkplatz entdeckte ich einen Futterspender für die Straßentiere, aufgestellt von der Stiftung "Tierärzte im Einsatz", die aber leer war. Ich fragte nach, aber Olga meinte nur, das wären die Leute von Dr. Antov, aber da wäre nie Futter drin. Im Hotel abends googelte ich diese Stiftung und fand eine Organisation mit Sitz in der Schweiz und einer schönen Homepage, in der tatsächlich unser Dr. Antov im Stiftungsrat ist, und das Hauptarbeitsgebiet ist Griechenland und Bulgarien.

 
 

Tag 1:

Am nächsten Morgen ging es bei strahlender Sonne ins Tierheim. Dort hielt ich mich bis nachmittags auf und machte mir einen guten Eindruck von der gesamten Anlage sowie von deren "Insassen". Das sind nur Hunde, denn alle Katzen hat Olga in ihrem privaten Haus am Ortsrand von Asprovalta untergebracht. Diese räumliche Trennung halte ich für gut und sinnvoll, denn für die Katzen ist es enormer Stress, zwischen oder neben den laut bellenden Hunden leben zu müssen.

Olga hat zur Zeit drei große Hündinnen mit Welpen, zwei davon sind so dünn und klapperig, dass man kaum glauben mag, dass sie ihre Welpen großziehen können. Aber Olga ist da enorm erfahren und geschickt und füttert früh dazu, um die Hundemütter "zu entlasten".

Ansonsten sind die Hunde bis auf einen Notfall mit Herzwürmern und Leishmaniose augenscheinlich gesund und munter. Sie tun mir nur alle wirklich leid, denn sie sind den ganzen Tag eingesperrt und haben weder Auslauf noch Beschäftigung, sondern große Langeweile. Aber Olgas Sicht ist da anders und typisch griechisch: Die Hunde sind behütet, werden nicht geschlagen oder misshandelt, haben ständig frisches Wasser und ausreichend Futter, die Zwinger sind sehr hell und sauber. Und das ist nach ihrer Auffassung mehr als viele griechische Hunde sonst haben. Manche Hunde sind allein, manche zu zweit oder zu dritt, leider traut sich Olga eine Rudelhaltung, wie oft in privaten Tierheimen üblich, nicht zu.

Hunde im Tierheim  
  Tierheim

Ich begrüßte mittags die "kleine Olga", das ist Olgas Enkeltochter, die ihr seit längerem regelmäßig hilft und augenscheinlich bestens vertraut mit allen Hunden wie auch mit den täglichen Arbeiten ist. Sie ist gelernte Apothekenhelferin und arbeitslos, spricht Englisch, aber kein Deutsch. Sie würde vielleicht in Thessaloniki Arbeit finden, aber dann müßte sie aus Asprovalta wegziehen und ihre Oma ganz allein lassen, und das wollte sie nicht.

Diese Olga - Olga Krause - ist diejenige, die das Geld des Betriebskostenzuschusses (BKZ) des ETN bekam und nun ohne jegliches Einkommen da steht. Natürlich fragte sie mich auch nach dem BKZ und einigen anderen Dingen, bot mir Wasser an und zeigte mir ihre Lieblingshunde, war sehr freundlich und fleißig, jammerte nicht, aber wirkte dennoch auf mich irgendwie unglücklich.

Im Tierheim ist nach wie vor kein Strom, aber es gibt etwas Licht aus einer Batterie und es gibt einen alten Generator, mit dem etwas Strom erzeugt werden kann - insgesamt eine absolute Notlösung. Wasser gibt es zum Glück und auch eine Jauchegrube, in die alle Fäkalien der Hunde hineinlaufen. Die Grube muss einmal monatlich ausgepumpt werden. Ich habe dann mal alle Hunde durchgezählt: Es gibt aktuell 72 erwachsene Hunde (fast alles große) und 21 Welpen.

 
 

Nachmittags bin ich mit Olga innerhalb des Ortes sowie in den angrenzenden Bezirken und vor allem da, wo die Hauptstraße entlang führt, die Straßentiere füttern gefahren. Olga hat jeweils eine große Tonne Katzen- und Hundefutter (nur Trockenfutter) in ihrem alten blauen Auto und fährt bestimmte Plätze an, um die Tiere zu füttern.

Es sind insgesamt über ein Dutzend feste Futterstellen, die meist an Parkplätzen, vor privaten Häusern (meist unbewohnte Ferienhäuser) unter Bäumen oder an Müllcontainern liegen und wo Olga gut anhalten kann. Da Olga mehrfach die Woche diese Futterstellen anfährt, kennen die Tiere sie und ihr Auto gut und kommen aus allen Richtungen und Winkeln hervor gelaufen, um zu fressen. Die Hunde werden abseits der Katzen gefüttert und es gibt da keinen Ärger, die Tiere wissen scheinbar alle Bescheid.

Olga zeigte mir viele kastrierte Katzen, die man an den abgeschnittenen oder eingeritzten Ohren erkennen kann, aber leider gab es auch noch genug unkastrierte und viele ganz kleine Katzen, die im Sommer geboren wurden. Einige Katzen waren zahm und ließen sich streicheln und hochheben, andere nicht. Ich war erfreut über den insgesamt guten Zustand der Katzen. Es gab wenige verletzte und augenscheinlich kranke Tiere, und die meisten wirkten gesund und munter.

Die Hunde waren zu 80-90 Prozent kastriert und Olga kannte sie alle, bis auf einen, der wohl neu war. Sie beklagte sich, dass doch immer wieder Hunde ausgesetzt werden, sowohl im Ort als auch vor ihrem Tierheim. Oder aber sie werden von ihren Besitzern einfach auf die Straße gesetzt, weil sie sie nicht mehr halten können oder wollen.

Straßenhund

Straßenkatzen
 
 

Merkwürdig fand ich, dass z.B. zwei Pointermischlinge stundenlang vor dem Lidl-Supermarkt standen (wir sahen sie auf dem Hinweg und zwei Stunden später auf dem Rückweg), die ein Halsband trugen und laut Olga einen Besitzer hätten. Aber dennoch waren die beiden offensichtlich hungrig und außerdem unkastriert und Olga meinte, dass der Besitzer sie nicht genug füttern würde. Prompt bekamen die beiden auch eine Portion aus ihrem Eimer.

 
  Straßenhund

Diese Fütterung der Straßentiere dauerte gut zwei Stunden und zum Glück sah ich außer diesen herrenlosen Tieren sonst weiter kein Elend in Form von toten, überfahrenen oder vergifteten Tieren, von denen Olga immer wieder mal berichtet. Erfreulich fand ich auch die Tatsache, dass die Anwohner sich freundlich mit Olga unterhielten, wenn sie Olga mit ihren Eimerchen bemerkten, und keinesfalls den Eindruck machten, dass sie die Fütterung ablehnten oder die Tiere nicht mochten. Im Gegenteil bekam Olga den ein oder anderen Hinweis und einmal wurde ihr auch ein Gartentor aufgeschlossen, weil sich dahinter viele Katzen versammelt hatten und auf ihr Futter warteten.

 
 

Später ging es dann zur Apotheke, wo Olga eine ganze Plastiktüte voller Medikamente für die Tiere abholte, die sie aber nicht vollständig bezahlen konnte. Sie gab der Apothekerin 100 Euro und meinte nur, den Rest würde sie bald vorbeibringen. Danach ging es zurück zum Tierheim, es war wieder Fütterungszeit und die Welpen mussten besonders versorgt werden. Während wir alles wischten und die Decken/Matten wechselten, durften die Hundemütter sich im Tierheimgelände frei bewegen. Dann wurden Medikamente verteilt, nach einer Liste, die in der Futterkammer lag, damit nichts vergessen wurde.

Schließlich zeigte Olga mir ihre spärlichen Restfutterbestände und jammerte, das sei nur noch Futter für wenige Tage, dann hätte sie nichts mehr. Ich war erschrocken und erfuhr dann, dass die Pfotenengel ihr etwas Geld schicken wollten, was aber noch nicht angekommen wäre. Mir wurde klar, dass Olga im Prinzip "von der Hand in den Mund" lebt und oft nicht weiß, wie sie an Futter kommen soll. Futterspenden von Anwohnern gibt es überhaupt keine und Touristen waren es dieses Jahr nur sehr wenige, die mal ein paar Euro gespendet haben.

Tierheim  
  Tierheim

Auf meinen Wunsch hin zeigte Olga mir noch, wo überall der ältere Mann mit dem Mäher regelmäßig das Gras schneidet. Das ist im gesamten Innenbereich des Tierheimes, also überall da, wo keine Zwinger stehen, sowie der Außenbereich um die Zwinger herum und vor dem Tierheim, wo auch die Autos parken. Das Gras kurz zu halten ist wichtig, weil es in der Gegend viele giftige Schlangen gibt, die lebensgefährlich für die Hunde sind, für Menschen aber natürlich auch.

 
 

Tag 2:

Der Morgen begann ruhig und ich konnte draußen auf der Terrasse der Pension frühstücken. Bevor Olga mich abholte, ging ich noch schnell zum Meer, das ja nur wenige Meter entfernt ist. Es war dort kein Mensch, außer einem Angler, und während ich da so stand, näherten sich zwei Streuner, die wohl nach etwas Essbarem wie z.B. totem Fisch suchten. Die Hunde sahen aber gesund aus und Olga kannte sie bereits - es sei alles ok und sie wären kastriert. Das erfuhr ich, als Olga mich um 10 Uhr abholen kam, weil wir ja einen Termin bei ihrem Tierarzt in Thessaloniki hatten. Doch sie kam nicht mit ihrem alten blauen Auto, sondern mit einem geliehenen Auto, weil ihres am Morgen nicht angesprungen war. Sie war wie immer von 7 bis 9:30 Uhr im Tierheim gewesen, hatte schon alles saubergemacht und die Tiere versorgt, und nun würde die kleine Olga weitermachen, sodass sie weg konnte.

am Strand  
 

Olga weinte, als sie mich begrüßte und erzählte mir, dass ihr geschätzter Tierarzt Ernestis letzte Nacht einen Herzinfarkt erlitten hätte. Nun würde ich ihn leider nicht treffen können, denn er lag in Thessaloniki auf der Intensivstation im Krankenhaus. Doch es gibt in dieser Tierklinik natürlich mehrere angestellte Tierärzte, die wir treffen würden. Nach knapp 1,5 Stunden kamen wir dort an und alle, die ich traf, standen sichtlich unter Schock von der schrecklichen Nachricht ihres Chefs, der mit erst 58 um sein Leben kämpfte. Dennoch wurden unsere drei Katzen und fünf mitgebrachten Hunde alle geimpft und gechipt, und danach fand mit mir und einer Tierärztin ein Gespräch statt, für das wir sogar einen Dolmetscher hatten. Der nette Herr war in Stuttgart aufgewachsen und lebte nun wieder in Thessaloniki, und seine Tochter machte gerade ein Praktikum in der Klinik, daher dieser hilfreiche Kontakt.

Das Gespräch dauerte über eine halbe Stunde, ich habe viel vom ETN erzählt und die Tierärztin viel von ihrer Arbeit und den Kastrationen und auch von den Preisen ... Ich habe viel Interessantes erfahren und einen Eindruck darüber bekommen, wie dort gearbeitet wird. Von Anfang an stellte ich jedoch klar, dass ich zwar ETN-Vorstandsmitglied sei, aber ohne jegliche Versprechen oder Zusagen des Vereines hier wäre. Ich betonte auch gleich zu Anfang, dass jegliche Pläne für eine weitere Zusammenarbeit der Absprache und der Zustimmung des gesamten Vorstandes bedürften. Zu den Preisen meinte die Tierärztin, dass diese am ganz unteren Rand wären und keinesfalls mehr zu reduzieren seien. Die Mehrwertsteuer liegt in Griechenland bei 24% und generell könnten sie diese mit uns vereinbarten Preise nur halten, wenn mehrere Tiere pro Monat für den ETN operiert würden, da es absolute Sonderpreise wären und so gut wie nichts daran zu verdienen wäre. So, wie mir alles im Einzelnen erläutert wurde, glaube ich das absolut. Die Tierärztin schlug dann vor, dass man doch monatlich eine bestimmte Anzahl von Katzen und Hunden festlegen könnte, die höchstens von Olga gebracht würden. So blieben die Kosten für den ETN planbar und überschaubar. Ich verabschiedete mich von allen damit, dass ich versprach, mit dem Vorstand in Deutschland baldmöglichst zu sprechen und eine Rückmeldung zu geben, ob, und wenn ja wie, es weitergehen würde mit einer Zusammenarbeit mit dieser Tierklinik. Ich muss sagen, dass dort alles einen sehr guten Eindruck auf mich machte, die Klinik aber nicht so groß war, wie ich dachte. Die Menschen waren alle überaus nett und herzlich.

 
  Sonnenuntergang

Auf dem langen Rückweg in der Abenddämmerung und mit den miauenden Katzen im Auto tat Olga mir besonders leid. Sie war müde, und traurig wegen des Arztes, um dessen Leben sie bangte und von dem sie meinte, er sei für sie wie ein Bruder, so lange kenne sie ihn schon, und er sei ein wunderbarer Mensch und guter Tierarzt. Vor zwei Jahren erst hatte Olga ihren Bruder verloren, er war beim Helfen im Tierheim tot umgekippt und jede Hilfe kam für ihn zu spät. Gern wäre ich den Wagen nach Hause gefahren, traute mich aber nicht so recht (fremde Strecke, fremdes Auto und Olga erzählte ununterbrochen), und auch ich war müde von den vielen Eindrücken, die ich bekommen hatte.

 
 

Auf der Autobahn rannten zwei große Hunde am Seitenstreifen entlang und ich erschrak mich sehr, aber Olga meinte, sie kenne die und die lebten gleich daneben und würden schon aufpassen. Für deutsche Wahrnehmung ein unhaltbarer, sehr gefährlicher Zustand, aber nicht für griechische Verhältnisse. Dann ging es zurück ins Tierheim, wieder alle Tiere ausladen, versorgen und alle Boxen für den Rückflug am nächsten Tag zusammenschrauben und auspolstern, Pässe sortieren und unterschreiben.

Dann lud mich Olga zu sich nach Hause ein und machte uns Käse-Sandwiches. Ihre eigenen, privaten vier Hunde bekamen auch ein paar Krümmel ab und forderten die Streicheleinheiten, die sie den ganzen Tag nicht bekommen hatten, da Olga eigentlich viel zu wenig Zeit für sie hat.

Tag 3:

 
 

Rückreise! Morgens um halb sechs holte Olga mich ab, um mit mir ins Tierheim zu fahren und die fünf Hunde einzuladen, die ich mitnehmen sollte. Es war stockdunkel und während ich die Taschenlampe hielt, holte Olga die Hunde einzeln aus den Zwingern und trug sie in die am Vortag schon bereitgestellten Boxen. Alle Hunde bellten wie verrückt, aber es stört dort zum Glück niemanden, denn das Tierheim ist weit genug weg von den Häusern des Dorfes. Dann fuhr ein Tiertaxi vor, in Form eines privaten Mannes, der öfter solche Fahrten zum Flughafen für Olga machte, für 100 Euro hin und zurück. So musste Olga nicht wieder selbst fahren, und die Boxen hätten auch gar nicht in ihr Auto gepasst. Als ihr Handy klingelte, fing Olga an, aufgeregt zu sprechen. Es ging um einen Nachbarn, der eine verletzte Katze gefunden hat und nun nicht wußte, was er machen sollte. Olga riet ihm, sie doch direkt zum Tierarzt zu bringen, was aber nicht in Frage kam, da die Dame weder Auto noch Geld dafür hatte. Olga sagte ihr, dass sie erst mittags zurück im Dorf wäre und dann bei ihr vorbei käme.

Am Flughafen war es so leer, dass wir in Rekordzeit die Tiere eingecheckt hatten, und ich verabschiedete mich von Olga, bevor ich durch die Schranke ging. Ich versprach ihr, bald wieder zu kommen, Werbung für sie zu machen und einige bestimmte ältere Hunde in ihrem Tierheim baldmöglichst zu übernehmen, und natürlich auch, mit dem ETN zu sprechen wegen ihrer Lage.

am Flughafen  
 

Um 11.30 Uhr deutscher Zeit landete ich in Düsseldorf, und als ich mein Handy wieder einschaltete, hatte ich bereits eine Nachricht von Olga darauf: Der Tierarzt wurde gerade operiert und erhielt zwei Bypässe. Olga schien erleichtert und hatte wieder Hoffnung. Und sie müsse jetzt nach Stavros fahren, dort gäbe es eine verletzte hochträchtige Hündin, die sie suchen und mitnehmen wollte, sie hätte ja nun wieder etwas Platz im Tierheim.
Arme Hündin und arme Olga!